1. Monat
Ich genieße jeden Tag des Sommers. Unbeschwerte Hochzeitsfeiern, feucht-fröhliche Grillpartys und Deutschland wird Weltmeister. Das Training für meinen ersten Marathon geht in die heiße Phase und ich stürze mich mit Vollgas wieder ins Arbeitsleben und in einen neuen, spannenden Job. Auch den Endspurt des Studiums nehme ich in Angriff. Alles scheint möglich in diesem Sommer. Außer natürlich, schwanger zu werden.
2. Monat
Mir ist schlecht. Meine Brüste schmerzen. Und wieso schmeckt der Sekt eigentlich nicht mehr? Wenn es nicht unmöglich wäre, wäre mir die Lösung bestimmt eingefallen. Bei einer Routine-Untersuchung traf uns die Überraschung wie ein Blitz. Was für eine Freude! Und zwar eine Doppelte! Es sind eindeutig zwei winzige schlagende Herzen auf dem Ultraschall zu erkennen. Wir sind fassungslos und überglücklich. Ich möchte platzen vor Freude und die wunderschöne Nachricht mit allen lieben Menschen teilen. Aber es ist uns zu riskant und wir müssen zunächst durch eine Zeit des Schweigens. Das ist hart. Besonders beim Junggesellinnenabschied mit alten Freundinnen, im Urlaub mit engen Freunden, bei einer Beerdigung in der Familie.
3. Monat
Ich muss meine Masterarbeit fertig schreiben. Abends nach dem Büroalltag. Während der Körper mit Übelkeit und Müdigkeit kämpft und der Kopf sowieso ganz woanders ist. Quälend unbequeme Stunden am Schreibtisch. Die beginnende Flut an Arztterminen überschwemmt mich. Und meine Hosen passen jetzt schon nicht mehr!
Aber endlich ist es soweit! Wir überfordern unsere Familie und Freunde mit der verrücktesten, schönsten und wunderbarsten Nachricht des Jahres. Das Glück mit diesen Menschen zu teilen ist unglaublich und für Viele überwältigend.
4. Monat
Als nächstes wird mein Chef mit der Nachricht überrumpelt. Dabei war ich doch seine „sichere Bank“ als Elternzeitvertretung für die Kollegin. Tja, da muss neu geplant werden. Apropos Planung: Ich muss feststellen, dass ich mit Hebammensuche und Anmeldung zum Geburtsvorbereitungskurs schon spät dran bin. Das muss scheinbar schon bei Zeugung erledigt werden, nicht erst, wenn man die Babys schon spürt – ooh, ich spüre meine Babys! Wow, das ist wunderschön!
5. Monat
Infoabende in Krankenhäusern statt durchtanzter Nächte im Club. 27 Paar High-Heels verkaufen und stattdessen Kompressionsstrümpfe und Anti-Dehnungsstreifen-Öl shoppen. Noch schnell zum Standesamt, um einen gemeinsamen Familiennamen festzulegen. Ist das dieses „erwachsen“ werden?
Das Joggen haben die Ärzte längst verboten und walken empfohlen. Das tue ich beim Berlin Marathon. Der Besenwagen ist so gemütlich unterwegs wie ich und so schaffe ich das Marathon-Finish zu dritt. Ich schwebe bei strahlendem Sonnenschein durchs Brandenburger Tor und fühle mich wie ein Weltrekordgewinner, obwohl ich in Wirklichkeit sportlich wie ein Walross wirke. Egal, ein Traum ist in Erfüllung gegangen und ich könnte die ganze Welt umarmen.
6. Monat
Was man in der Schwangerschaft und vor dem Elternwerden noch tun sollte? Nochmal schick zu zweit essen gehen. Wochenend-Ausflüge unternehmen und ein entspanntes Bad genießen. Und unbedingt in Ruhe ins Kino! Ich war noch nie so oft im Kino wie während der Schwangerschaft. Außerdem Schwangerenyoga, Schwangerenschwimmen, Schwangerenmassage – ich nutze das volle Programm. Highlight ist die gigantische hellblau-rosa Überraschungs-Babyparty der weltbesten Freundinnen! Ich freue mich wie ein Honigkuchenpferd und erkenne mich selbst kaum wieder.
Wir erfahren, dass wir zwei Mädchen bekommen werden. „Das sieht man doch am Gesicht!“ meint die Ärztin beim Ultraschall.
7. Monat
Die absolvierte Abschluss-Prüfung des Studiums und das ärztlich erteilte Beschäftigungsverbot sind eine Wohltat, ermöglichen aber keine ganztägige Faulheit. Der Alltag nach der Schwangerschaft fernab von hilfswilliger Verwandtschaft will organisiert werden. Das Arbeitszimmer verwandelt sich in ein Kinderzimmer. Es folgt eine Testreihe von Unterstützungsmaßnahmen für potenziell überforderte Zwillingseltern. Ausprobiert werden: Getränkelieferservice (prima Schlepp-Erleichterung), Online-Supermarkt (katastrophale Ersatzartikelauswahl), Reinigungsdienste (zu teuer), Amazon Windel-Abo (vielfach empfohlen) und fertige Koch-Boxen (interessantes Konzept). Gezwungenermaßen müssen wir uns auch durch den Dschungel der Modalitäten und Anträge für Elterngeld, Elternzeit, Krankenversicherung, Mutterschutz und Kindergeld kämpfen.
8. Monat
Der Countdown ist angezählt. Im Geburtsvorbereitungskurs lernen wir Geburtsablauf und Babyhandling in der Theorie. Naja, zumindest die relevante Einlings-Theorie. Die außerirdischen Fragen der exotischen Zwillingsschwangeren bleiben unbeantwortet. Die Zipperlein sind allerdings bei allen Schwangeren die gleichen: Schlafprobleme, Wassereinlagerungen, Sodbrennen, Rücken- und Mutterbandschmerzen, Kreislaufprobleme. Mir geht es noch vergleichsweise gut. Beim Flug in den Weihnachts-Heimaturlaub wird es trotzdem spannend. Die Fluggesellschaft riskiert die Wolkengeburt und nimmt mich gerade noch mit. Als Weihnachtsgeschenk gönnen wir uns den angeblich super-duper-flexibel-leichten Zwillings-Kinderwagen und beschließen nach dieser Investition, die weitere Ausstattung gebraucht zu kaufen.
9. Monat
„Sie sind ja immer noch schwanger!“ Der Arzt ist offensichtlich ungeduldiger als ich. Meine Termine für Friseur und Babybauch-Fotoshooting habe ich für die 38. Woche geplant. Zu optimistisch? Wir werden es sehen. Die 37. Woche ist jedenfalls erreicht. Spätestens an Tag 38+0 soll die Geburt eingeleitet werden. Es wird Zeit, mich von der Schwangerschaft zu verabschieden. Eine sehr besondere Zeit, die ich dank der überschaubaren Nebenwirkungen glücklich und dankbar genießen konnte. Tschüss, Schwangerschaft, hallo, Wundermädels!